Stabil vs. wackelig: welches Krafttraining hat den besseren Effekt auf die Kraftentwicklung?
Die Tendenz im Hundesport, den Hund durch alternatives Training auf Balance Tools vor Verletzungen schützen zu wollen ist groß, und die Entwicklung freut mich sehr!
Dennoch ist mir wichtig, dass es einen Unterschied gibt zwischen Balance Training und Krafttraining, bzw. der Hundehalter sich überlegen sollte:
Was will ich trainieren? Was erreiche ich mit welchem Training?
Reines Krafttraining ist zumeist ein Widerstandstraining. Im Humanbereich werden Gewichte, Seilzüge oder ähnliches eingesetzt. Beim Hund wäre ein reines Widerstandstraining nur mit einer Gewichtsweste/-manschetten und dem eigenen Körpergewicht möglich.
Auch in der Humanmedizin gibt es Krafübungen, die in bestimmten Bereichen auf instabilen Untergründen erfolgen, zum Beispiel Kniebeugen oder Kreuzheben auf Balancekissen oder -bällen.
In der Humanmedizin im wirklichen Kraftsport setzt sich diese „Technik“ aus unten genannten Gründen jedoch nicht durch- während in der Hundewelt ein wahrer Boom auf immer mehr Tools, immer mehr Instabilität erfolgt. Woher kommt wohl dieser Unterschied?
Ich möchte die Ergebnisse der Studien ein wenig zusammengefasst und vereinfacht darstellen, um zum Nachdenken anzuregen und den Trainingsplan des Hundes vielleicht ein wenig anzupassen.
Immer, wenn der Untergrund instabil wird, ist der Körper in erster Linie stark damit beschäftigt einen potentiellen „Sturz“ zu vermeiden. Hohe Aktivität der Muskeln zum „ausbalancieren“, und dabei sind immer wirklich VIELE Muskelgruppen beteiligt (Beuger, Strecker, stabilisierende, kleinere Muskeln, Hauptbeweger der Gelenke, einfach ALLE!).
Bei der EMG Messung im Humansektor konnte mit EMG Messungen eine deutlich erhöhte Aktivität nachgewiesen werden, wenn dieselbe Übung auf einem instabilen (im Vergleich zu einem stabilen) Untergrund erfolgte.
Ist die Übung damit besser, effektiver?!
Die Untersuchungen zeigten, dass bei MODERATER Instabilität eine gute Aktivierung vorliegt. Bei zu anstrengender kommt es aber eher zu einer „Versteifung/Verspannung der Agonisten und Antagonisten (Beweger und Gegenspieler der Gelenkbeweger). Außerdem konnte gezeigt werden, dass die HAUPTBEWEGER bei erhöhter Instabilität SCHLECHTER angesteuert werden, die Instabilität also zu hoch ist.
Einfach gesprochen: bei erhöhter Instabilität muss der Körper so viele Muskeln um Hilfe bitten, dass jeder einzelne, und vor allem die Hauptmuskeln der Gelenkbewegung nicht mehr so präzise angesteuert werden können.
Aber es scheint sich der Gedanke in den Hundebesitzer-Hirnen festgesetzt zu haben: je instabiler, desto mehr Kraft baut mein Hund auf …
Aber falsch: Es gilt nicht: je mehr Muskeln aktiviert werden, desto besser und desto stärker!
Eine gleichzeitige Aktivierung von Agonisten und Antagonisten (also Beweger und Gegenbeweger, wie z. B. Beuger und Strecker) führt NICHT zu einem höheren Kraftzuwachs. Die einzelne und gezielte Ansteuerung wird NICHT verbessert, je instabiler der Untergrund ist!
Zwar hat niemand diese Forschung am Hund nachvollzogen, und niemand weiß, ob es 1:1 übertragbar ist, aber die neurologischen Ansteuerungsmechanismen sind ähnlich bis gleich, weshalb diese Ergebnisse uns auf jeden Fall zum Nachdenken anregen sollten.
Nein, das auf keinen Fall!
Die Humanstudien konnten zeigen, dass es einen großen Unterschied macht, welche Zielgruppe mit welcher Zielsetzung trainiert.
Im Rehabereich, nach Verletzungen vor allem, konnte das Instabilitätstraining mit MODERATER Instabilität große Vorteile in der Muskelaktivierung hervorbringen.
Besonders alte und junge „Patienten“ können hiervon stark profitieren.
Balancetraining hat also eine große Daseinsberechtigung, vor allem im AUFBAU eines Sporthundes (VOR der sportlichen Nutzung), als Erhalt der Balancefähigkeit und nach Verletzungen.
Dabei darf aber NIEMALS gelten: je instabiler desto besser!
Eine der wichtigsten Studien (Cressey (2007) ) beschäftigte sich mit dem Ergebnis in den Bereichen Leistung im Sprint, Sprung, Athletik und Beweglichkeit vor und nach einem jeweiligen Trainingsprogramm. Dabei arbeitete eine Kontrollgruppe auf instabilen und die andere auf stabilen Untergründen mit verschiedenen Kraftübungen. Beide Kontrollgruppen waren aktive Athleten!
Hierbei übertrafen die Trainingsergebnisse der „stabilen“ Gruppe in allen Bereichn die der „instabilen“ Gruppe!!
Die Schlußfolgerung schien den Autoren, dass die Aktivierung der spezifischen Muskelgruppen eben nicht ausreichend erfolgt, da der Körper (einfach gesprochen) „zu beschäftigt“ ist, noch weitere Muskeln zu aktivieren, damit er nicht aus Balance gerät (wenn der Untergrund instabil ist).
Vor allem für bereits sportlich trainierte Tiere (und Menschen) sollte klar sein:
eine Verbesserung der MAXIMALKRAFT spezifischer Muskeln sollte mit anderen Übungen, die gezielt und auf stabilem Untergrund, evtl. sogar mit Gewichtswesten oder eben Ebenenunterschieden und damit die Nutzung des eigenen Körpergewichts erfolgen. So kann ein wirklicher Kraft- und Muskelzuwachs erreicht werden.
Soll das nun heißen, dass Balancetraining überflüssig ist?
NEIN!
Es ist eben nur die Frage, was erreicht werden soll.
Für Hunde im aktiven (Leistungs-) Sport bedeutet das, dass in der Basisausbildung und nach Pausen es absolut wichtig ist, Balancetraining mit MODERATER Instabilität , gezielt und mit Verstand (und nicht „ich lasse ihn aber schon auf der Erdnuss stehen“) stattfindet.
Dabei müssen das nicht zwangweise immer Balance Tools sein, auch das Anheben einer Gliedmaße bringt eine Instabilität und kann auch auf festem Untergrund bestimmte Übungen mit einer ganz neuen Schwierigkeit versehen.
Ich persönlich glaube auch, dass eine gewisse Basisarbeit (ca. einmal wöchentlich) mit einigen Instabilitätsübungen zu einer Erhaltung von Balance und Stabilität sinnvoll ist.
Dennoch sollte für ATHLETEN ein weiteres, gezieltes Krafttraining erfolgen, evtl. mit Gewichten, oder mit Ebenenunterschieden, aber auf FESTEN Untergründen.
Meine Onlinekurse werden in den entsprechenende Bereichen entsprechend angepasst und variiert werden- ich bin mir nicht zu schade, immer wieder neue Dinge zu lernen und alte Dinge abzuändern!
Lernen geht immer weiter!
Quellen und Studien: